Malen in der Malklause

Was ist Ausdrucksmalen?

Ausdrucksmalen ist eine Form von Malen, die sich vom künstlerischen Akt unterscheidet. Beim sehr kleinen Kind ist diese Tätigkeit selbstverständlich. Sie kommt von alleine und ohne bestimmte Absicht. Jedes Kind (jeder Mensch) hat eine nur ihm gemäße bildliche Ausdrucksweise, dessen Rhythmus und Intensität es/er selbst festlegt. Das Bedürfnis des freien Ausdrucks beim Malen versucht die Malklause zu reaktivieren.

Was geschieht beim Ausdruckmalen?

Beim Ausdrucksmalen kommen Spuren des Menschen zum Ausdruck, die nicht für andere Menschen bestimmt und die auch nicht an andere Menschen gerichtet sind. Das Malen in der Malklause ist nicht auf ein ästhetisches Ergebnis gerichtet, das Malen gleicht einem Prozess, bei dem Bilder übrig bleiben. Die Interpretation der Bildinhalte würde einem Eingriff in die Intimsphäre gleichkommen. Die Besprechung der Bilder würde Kommunikation bedeuten. Gerade im Sein-Lassen unterscheidet sich das Malen in der Malklause von jedem anderen Bild-Schaffen zum Beispiel zu Hause oder in improvisierten Malkursen mit Ausstellungsabsicht. Die Malenden empfinden es als angenehm, sich für ihr Tun nicht rechtfertigen zu müssen, keine Worte der Erklärung finden zu müssen. Die Sprache ist in der Malklause nebensächlich.

Was ist das Ritual in der Malklause?

Die Malenden treffen sich regelmäßig in einer Art Klause, um dort nur zu malen. Jeder malt an seinem eigenen Bild. Jeder malt für sich. Die Gruppe von Malenden ist dabei ebenso wichtig wie das Malen selbst. Das Spüren des anderen neben sich erleichtert das zu-sich-Kommen. Es gibt keine Konkurrenz und keine Bewertung. Ausdrucksmalen entsteht, wenn es sich ohne Vorgaben und ohne Beeinflussung von außen vollziehen kann. Deshalb ist der Malraum in Form einer Klause geschützt.

Warum ist Ausdrucksmalen so wichtig?

Die meisten Menschen verlieren das Vertrauen in ihre eigene Fähigkeit zu malen und meinen, sie könnten „nicht richtig“ oder „nicht schön“ malen. Die Malklause aktiviert dieses verloren gegangene Vertrauen und fördert ein verschüttetes Bedürfnis, sich frei auszudrücken. In der Malklause geschieht nichts Geheimes, darin findet unbeschwertes und lustvolles Arbeiten in einer angenehmen Atmosphäre statt. Das Malen ist ein Erleben von ureigenen Spuren. Eigenes zu spüren stärkt das Selbst-Bewusstsein und schafft Achtung und Respekt vor dem Anderen. Das ist der eigentliche Sinn des Ausdrucksmalens.

Welche Rolle übt die Betreuerin dabei aus?

Die Betreuungsperson in der Malklause sorgt für ruhiges und konzentriertes Arbeiten in der Gruppe und für die Einhaltung der Spielregeln. Sie ist mit der Arbeitsweise des Ausdrucksmalens vertraut und kennt die Entwicklungsprozesse des kindlichen Ausdrucks. Ihre Aufgabe ist es, richtigen und ordentlichen Materialgebrauch zu vermitteln und jeden Einzelnen in seinen Bedürfnissen wahrzunehmen und zu bedienen.

Wie sieht die Praxis aus?

Es wird an der Wand stehend gemalt. In der Mitte des Raumes steht das kollektive Instrument, der Farb-Palettentisch. Es besteht freie Wahl von Thema und Format. Die Betreuungsperson hängt die Blätter auf und ab, reicht Schemel und Leiter, versetzt Reißnägel und beseitigt Rinnspuren. Für das Malen in der Malklause sind keine Voraussetzungen nötig und es besteht keine Altersgrenze. Durch regelmäßige Praxis entsteht in jedem das Gefühl von Beständigkeit und Sicherheit.

© Mag. Johanna Pühringer, 2010

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